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Channel: Kommentare zu: FEEDS. Hören TV
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Von: querstand

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Jetzt hat’s gestern endlich geklappt! Der KHM.TV Server hielt durch, ich auch, Rihm zerfetzt zu sehen, es trübte nicht den Blick. Eigentlich konsequent, Widmann bekam schon seine Dubai-Walzer-Schelte. Jetzt erwischte es Rihm, diesmal sogar weniger atemlos. Eine durchgehende Dauerbeschallungsdramaturgie wie bei lauen Gewinnsendungen gab es nicht. Dafür skurril tonale, in ihre Fanfarenteile zerbröselte „Welcome“-Jingles für die „Gäste“. Das Bühnen-„Design“ des Hören-TV sollte wie die musikalischen Elemente an die Neue-Musik-Jugend Johannes Kreidlers – die 1980er Jahre – erinnern, manchmal kam es mir aber wie in meiner Rosenthal-Jugend, den Siebzigern vor. Dies lag wohl am allgemeinen „Trash“-Charakter der vielfach gerundeten Bühnenform, an der einfachen zentralen Leinwand, an der weiss-schwarz gekleideten „Kapelle“, den farbigen Outfits des moderierenden Komponisten.
Dies machte das ganze dann doch nicht so depressiv, wie einem die 1980er oft so vorkommen, wie mancher Inhalt des Hören-TV.

Der Ernst der Sache beginnt bereits mit dieser in sich Widersprüche vereinenden Betitelung: „Hören-TV“. Was mag das sein? Man würde Joachim Bublath im ZDF mit netter Hausmannskost zum menschlichen Gehör erwarten. Gewisse hausmännische/-weibliche Kost bereitete der Statistenchor als „Lügendetektoren“ wie Gartenzwerge. Wie das erste Bejahen auf musikalische Rätsel immer zögerlicher wurde, je mehr es um Neue Musik ging, erinnerte an ZDF-Wissenschaft, genauso wie sie Pflänzchen als Härchen der Hörschnecke auftrugen. Die Fragen bzw. der zuerst rabiate Umgang mit den Pflänzchen Kreidlers machte dies zunichte. Zwischen den Fünf Blöcken (Abhören / Klang und das Unbewusste / Liebe, Sex und Technik / Musikentwertung / Neues Musiktheater und Gesellschaft) erklang eine von Pause zu Pause zerfleddertere Tonbandmusik, die an Bublaths „lustige“ Knoff-Hoff-Dixie-Band denken liess, die Kapelle spielte dazu so ratlos, wie man sich heute fühlt, wenn junge Pärchen mit beluftballonten Kindern in der Fussgängerzone oder dem Biergarten vor einer keck aufspielenden Dixie-Kapelle sieht, sich die Spieler dann als Staubsaugervertreter, Einzelhändler und Buchhalter vorstellt und diese Import-Freude aus den 1920er Jahren einem irgendwie älter als nur omahaft vorkommt.

Wie Kreidler zum Thema Abhören eine Gehörgangprojektion, im Inneren seiend Rihms „Im Innersten“ zerriss, ist viel weiter oben schon gesagt worden. Beim Thema „Klang und das Unbewusste“ war der schönste Moment, wie Kreidler seinem Tinnitus nachhörte, die Beraterin Merkels der elektronischen Musik immer mehr Filter verpasste bis eine richtige musique d’ameublement entstand, eine immer lockerer werdende Umwandlung der Miditonsignale der monotonen Kanzlerinnenstimme. In Liebe, Sex und Technik erfreute Isoldes „Karaoke“ auf verschiendenste Diskorhythmen mehr als zuvor am Anfang im Nacktscanner. Manchem war wohl das Abrasieren der Pflänzchen als Tinnitusheilung zu platt, als Kreidler allerdings zu Beethoven eine Pflanze umtopfte, fragte man sich, was wäre gewesen, wäre der Bonner nicht gehörlos geworden. Hoffentlich bezieht Johannes seinen Tinnitus nicht zu direkt auf Beethoven und Smetana. Bevor Kreidler dies hätte tun können, endete der erste Teil zuvor mit all den Todesmelodien, die Atari, Nintendo sowie auf den C64 die Summergames hergaben, wenn der Held starb. So killte Bohlen, der auch auftrat, zuvor Isoldes Karaoke niedermachte, dazu fast schon unerträglich oft Tristan.

Aber sind die numerischen Wiederholungen im Stück wirklich heftig? Die wahrlich heftigste Dauerwiederholung von Zahlen fand in der Musikalisierung der Millionen Euros des Deutsche Bank Vorsitzenden statt: das Material klang irgendwie nach Phil Glass, sehr tonal, leicht eingetrübt, wurde in komplexeren und einfacheren Mustern patternartig abgespult, erhielt im richtigen Moment die richtige kleine Störung, um nicht langweilig zu werden. Da vergass man fast, wie Johannes sich mit einer Flasche Bier nach der anderen die Zeit vertrieb. Man empfand dann nur irgendwie ein gewisses Unwohlsein, was ein massives Zuviel an Bier bereiten kann, man stellte sich den Schwaben Kreidler als Franke beim Rothenburger Meistertrunk vor…

Das perverse daran war allerdings, wie Musik, die eigentlich „kritisch“ ist, es im heutigen Kontext ist, als gutkomponierte Musik dann wunderbar ästhetisch wirkt, man denke da an Beethovens Fünfte, deren Anfang wie Dauerfinalcoda damals geschockt haben dürfte, ein tiefstes Zerwürfnis Beethovens mit sich selbst vorführte. So aber war auch Feeds.Hören-TV eine Auseinandersetzung mit einem Zerwürfnis Kreidlers mit der Neuen-Musik. So sollte der letzte Ton, eine leere Kammerton-A-Saite, der Violine die Postmoderne beenden, ähnlich wie der leicht zu späte Druck Brandts damals auf den roten Knopf zur Einleitung des deutschen Farbfernsehens. Sieht man das Stück allerdings ein wenig im ortbaren Komponieren Kreidlers der letzten zwei Jahre, so ist das Stück ein Höhepunkt einer geäusserten wie vielleicht auch verborgenen Krise. So war neben dem Tinnitus-Nachhören im Teil „Musikentwertung“ das minutenlange Schweigen Kreidlers bei dem Gedanken an den vielleicht bald abgeschafften Beruf des Komponisten angesichts all der polystilistischen bald autochthon komponierenden Algorithmen wohl die Kernstelle des Stücks. Der angeblich im 19. Jhd von den Höfen befreite Komponist, der nur sich selbst verpflichtete Komponist der Avantgarde oder der nur dem Film verpflichtete Kollege, der eine immer zurückgezogener, der andere schon immer bald von seinen Zuarbeitern oder einfachen Bands wie jetzt Programmen abgelöste, der bald wieder aufgelöste, wenn er keine neuen, ihn benötigenden Abhängigkeiten finden wird.

So sagte Kreidler auch das, was ich hier schon öfters meinte: warum nicht die alten Werke des musikalischen Kanons umkomponieren, als Komponist uminszenieren? Da kommt man irgendwie in die Nähe Moritz‘ Heiner-Goebbels-Artikel, der sich ja von den Theatermachern emanzipierte und nun selbst ein Theatermacher mit Musik ist, da denkt man wirklich an neu gestaltete Rezitative, Sprechstellen in Mozartopern, da kommen einen Barockopern als Revuechoropern in den Sinn. Wohin also will nun Kreidler? Im Prinzip verfolgt er erstmal den Schritt, den Klängen der Neuen Musik einen Namen zu geben, also sie zu de-emanzipieren! Warum nicht, denn wenn Klänge eine „Funktion“, jenseits von „Funktions“-harmonik haben wollen, also bühnentauglich jenseits unbestimmbarer reiner Expression sein sollen, muss man sie als Hörer auch Situationen zuordnen können. Gemeinhin kommt „Neue Musik“ im Film immer für „Mörder“, „Nebel“, „Grauen“ in Betracht. Ein Weg, der mir immer wieder einfällt, wäre der über die Zahl: einerseits fällt einem da sofort das 0/1 der Musikelektronik eine, Midi-zu-Frequenz und umgekehrt, womit sich eine unglaublich Vielfalt sehr schön eingrenzen lässt. Dazu kommt aber auch der nach wie vor serialisierte Umgang sowie der spektrale Umgang mit dem Material in Betracht, immer im Bezug zu den anderen Parametern wie Dauer, Intensität, Geschwindigkeit und heute stärker denn je „Stimmung“! Da hält die Neue Musik wahrlich ein riesiges Instrumentarium bereit, dass man nun abstrakt wie bei den „Merkel-Bassfiltern“ oder einfach feldbestimmend, komponierend intuitiv verteilt bzw. entsprechend algorithmisch verteilt bei den „Ackermann-Glassfiltern“. Dazu die informative Vielfalt des Internets, das einem verschiedenste Musiken schnell bekannt machen kann, ob man nun einfach nachkomponiert, das Material zur Unkenntlichkeit verändert oder einfacher und dazu rechtlich problematischer damit umgeht. Im Prinzip also eine Versöhnung der oft zu freien Postmoderne mit den strengen, subkutanen Mitteln der Neuen Musik, aufgeladen mit zeitgemäßen Inhalten oder wie Kreidler wohl nur ironisch meinte: Zurück zu den alten Griechen! Warum nicht? Wenn man den Duktus des alten Regietheaters sowie die Aktualisierung des Regietheaters weglässt, eine ganz eigene Übersetzung findet, vielleicht nur den Plot lässt, dann könnte wirklich etwas Neues entstehen. Allerdings braucht es dann andere Bühnen als „Fonds Experimentelles Musiktheater“, „Kleine Szene“ oder „Kinderoper“: es braucht wieder vielmehr Aufträge für die grossen Bühnen oder noch viel mehr Mut für die Komponisten, mit ihren Stücken auch mal durch die Vorstadtbühnen und Fussgängerzonen, Shopping-Malls und Volksfeste zu tingeln, mit einer höchstwahrscheinlich ganz anderen Musik als jetzt, mit dem Risiko, auch von einfacheren Menschen verstanden zu werden, was durchaus auch hochgebildete Akademiker sein könnten, die mehr als nur einen gestotterten Hauch erwarten, die was über das Verhältnis von innerer Welt des Komponisten zu seiner Aussenwelt wissen wollen. Für diese fragilen Innenwelten gibt es zwar Kammermusik oder noch viel besser: professionelle, medizinische Hilfe! Ich hoffe, das Kreidler nun bald mal eine „Volksoper“ schreiben wird, ganz im Sinne des Altonaer Theaters oder des Theaters an der Wieden…

Jetzt starb so oft Tristan, die Postmoderne und die Neue Musik hat sich hier selbst im Blog zerfleischt! Jetzt muss einfach was Neues kommen! Also bitte keine Zerfleischung hierauf, schreibt lieber Musik, ich wieder ab Januar 2011…

A. Strauch


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